Weithin sichtbar ragen die beiden Vulkanschlote Jusi und Florian in die Landschaft, Zeugen einer geologisch überaus aktiven Vergangenheit. Optisch markant und ökologisch wertvoll, ziehen die beiden beliebten Ausflugsziele im Albvorland zwischen Metzingen und Neuffen tagtäglich viele Besucher in ihren Bann. Über Jahrhunderte landwirtschaftlich genutzt, wird heutzutage dieses schwierige Gelände nicht mehr bestellt. Verbuschung droht und damit einhergehend die totale Veränderung eines traditionellen Landschaftsbildes. Um dies zu verhindern, waren bis vor einigen Jahren stets wiederkehrende Arbeitseinsätze vom Pflegetrupp des Albvereins, von freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern der einzelnen »anliegenden« Ortsgruppen und von den zuständigen Forstbehörden vonnöten.
Diese in schwierigem Gelände stattfindenden Rodungen waren stets gefährlich, arbeitsintensiv, schweißtreibend und vor allem teuer. Der Erfolg war zwar weithin sichtbar, bereits nach einem Sommer hatte man aber den Eindruck, als wäre der letzte Einsatz bereits schon wieder Jahre zurück. Sehr schnell erkannte der frühere Vorsitzende der OG Kohlberg/Kappishäusern Stefan Tremmel: »Jusi und Florian wachsen schneller zu, als wir schneiden können.«
Ein Besuch bei den Ziegenfreunden in Dettingen brachte die zündende Idee. Die Tatsache, dass Ziegen jegliche Art von Buschwerk als Leckerbissen betrachten und dieses deshalb gnadenlos verspeisen, ließe sich doch zum Zwecke der Landschaftspflege nutzen. Dieser Gedanke wurde in einer Sitzung des Ortsgruppenausschusses 2009 erstmals vorgetragen und diskutiert. Gemeinsam wurde beschlossen, ein Konzept zu erarbeiten und die Umsetzung zu prüfen. Gegen anfangs heftige Bedenken, unter anderem auch aus der Bevölkerung, was Krach oder Gestank betrifft, wurde das Projekt angeschoben. Erste Tiere wurden angeschafft, weitere kamen alsbald hinzu. Ursprünglich wollten wir den Stall gerne auf Kohlberger Gemarkung errichten – im Landkreis Esslingen. Aber: Fehlanzeige, der Albverein galt dort nicht als privilegierter Landwirt. Somit war ein Bauen im Außenbereich nicht statthaft. 23 Ziegen seien zu wenig Tiere für einen ordentlichen Stall, war die Auskunft der Genehmigungsbehörde. Ganz anders die Sichtweise der Behörden im Landkreis Reutlingen. Dort wurden die Albvereinler aus dem Kreis Esslingen mit offenen Armen empfangen. Der Platz für einen Stall war schnell ausgespäht. Zusammen mit dem ehemaligen Förster Thomas Vorwerk aus Grafenberg wurde ein Platz am Fuße des Florian ausgewählt. Da sich dieser im Besitz der Forstverwaltung befand, war die Überlassung nach entsprechender Vertragsgestaltung reine Formsache. Gottseidank! Ein Stall konnte doch gebaut werden, das Ziegenprojekt fand seine Fortsetzung.
Mittlerweile war es Oktober 2010 geworden, die Zeit drängte. Endlich flatterte uns auch die heißersehnte Baugenehmigung auf den Tisch. In einer beispiellosen Aktion wurden alle Kräfte mobilisiert. Nur knapp sechs Wochen Bauzeit waren notwendig, und der Stall war bezugsfertig. Von freiwilligen Helfern wurden dafür mehr als 1.500 Arbeitsstunden geleistet. Eine hochmotivierte Mannschaft aus Helfern aller Gewerke war nahezu rund um die Uhr im Einsatz. Die Ziegen sollten noch vor dem Wintereinbruch ihr neues Quartier beziehen können. Es wurde gemunkelt, dass einzelne Vereinsmitglieder sogar im Schlafsack auf der Baustelle genächtigt hätten, um nur ja abends möglichst spät aufhören zu können und morgens dann trotzdem wieder als Erster auf der Baustelle zu erscheinen.
Ende November 2010 schließlich war es dann soweit, die Ziegen konnten ihr neues Domizil beziehen. Elf Sommer und der zwölfte Winter sind seit dem Beginn unserer »Ziegengeschichte« ins Land gegangen. Wenn man ein Resümee zieht, darf man ohne Einschränkung sagen: »Ein voller Erfolg.« Von der landschaftspflegerischen Seite aus ist das Ergebnis für Jedermann offensichtlich.
Die ca 8 ha Weideflächen an Jusi und Florian, welche zu Beginn der Beweidung einem Urwald glichen, sind mittlerweile »aufgeräumt«. Um Heu und Öhmd für die Winterfütterung zu gewinnen, werden von Vereinsmitgliedern bereits mehr als acht Hektar Streuobstwiesen, welche vorher nicht mehr bewirtschaftet wurden, wieder umgetrieben. Die Ortsgruppe und hier speziell ihr früherer Vorsitzender Stefan Tremmel hielten mit Kindergärten und Grundschulen in der Vergangenheit engen Kontakt. Viele Gruppen waren bereits zu Besuch und erfuhren, weshalb und warum wir Landschaftspflege mit unseren »tierischen Helfern« betreiben.
Seit 2 Jahren sind wir im Sommer auch am geschlossenen und unter Naturschutz stehenden Steinbruch Neuffen mit einem Teil unserer Herde im Einsatz. Biotoppflege ist hierbei der Hauptfocus.
Seit Beginn dieses Projektes konnten wir einen Mitgliederzuwachs von ca.100 Personen verzeichnen. Der Altersdurchschnitt in unserer Ortsgruppe sank drastisch. Ziegenpatenschaften sind heiß begehrt, und die Nachfrage kann nicht immer befriedigt werden.
Die Teilnahme am Kinderferienprogramm unter dem Motto »Eine Nacht im Ziegenstall« ist immer innerhalb von Stunden ausgebucht. Das bis zum Ausbruch von COVID jährlich stattfindende Ziegenfest mit Ziegenstreichelzoo zog jedes Mal mehr begeisterte Besucher an. Wir wünschen uns, dass wir auch an dieser Stelle zur früheren Normalität zurückkehren können und möglichst noch in diesem Frühjahr (2022) wieder ein Ziegenfest veranstalten können.
Zu Beginn hat die Ortsgruppe 30.000 € in dieses Projekt investiert. Davon waren ca. 18.000 Euro Fördergelder. Hierdurch wurden hauptsächlich der Stallbau und die Errichtung einer Festzaunanlage am Florian bezuschusst. Für die Beweidung und Bewirtschaftung der Flächen können jährliche Fördermittel beantragt werden.
Aktuell müssen wir uns nach einem neuen Traktor umsehen und stehen dabei vor einer Investition von ca. 35-40 Tsd. Euro. Dies ist notwendig, um für alle unsere ehrenamtlichen Helfer ein sicheres Arbeiten mit Maschinen und Gerätschaften zu ermöglichen, die den aktuellen Sicherheitsbestimmungen und Arbeitsschutzrichtlinien entsprechen.
So, Traktor ist angeschafft und fährt bereits in unseren Diensten! Immer wieder stellen wir uns die Frage: wie haben wir das eigentlich früher gemacht? Der rote Blitz arbeitet und rackert, eine neue Heckschaufel ist ebenfalls Mitglied im Team geworden. Nach anfänglichem "fremdeln" funktioniert hier auch alles bestens. Gemeinsam sind wir einfach unschlagbar. Kleiner Tipp am Rande: Grinsen über beide Backen entspannt die Nackenmuskulatur. Gemeinsames Grinsen über beide Backen stärkt den Zusammenhalt. E N O R M !!
Überaus positiv stellt sich die Zusammenarbeit mit den Landkreisen Reutlingen und Esslingen, den Regierungspräsidien Tübingen und Stuttgart sowie den staatlichen Forstbehörden dar. Wir als Ortsgruppe können jede andere Ortsgruppe nur ermutigen, im Bedarfsfalle solch ein Projekt anzugehen. Gerne sind wir auch bereit, im Rahmen einer »Nachbarschaftshilfe« beratend bei der Einführung eines solchen Vorhabens zur Seite zu stehen.